Zielerreichung

Zielerreichung: Ziele geheim halten

Jeder Mensch hat Ziele. Diese sollte man im Idealfall aufschreiben. Aber häufig wird vergessen zu erwähnen, dass man die Ziele nicht aufschreiben sollte, wenn einem die Zielerreichung am Herzen liegt. Warum das so ist, klären wir in diesem Blogpost.

Zielerreichung durch Zieldefinition

Ich gebe es zu, ich lese teilweise Bücher, in denen es um Produktivität geht. Ich lese Biographien und versuche meinen Alltag möglichst effizient zu gestalten. Häufig treffe ich dann auf eine Technik, die scheinbar jede erfolgreiche Person verwendet. Das Aufschreiben von Zielen. Dadurch werden die, zumeist wirr und wenig konkret durch die Gedankenwelt zischenden, Vorstellungen und Wünsche konkret. Man hat sie plötzlich schwarz auf weiß vor sich liegen und kann sich an seine Ziele erinnern, sie im Idealfall sogar abstreichen und für „erreicht“ erklären.

Für mich funktioniert die Technik sehr gut, doch bin ich bereits mindestens einmal in eine Falle getappt. In eine Einschränkung dieser Technik, die in der Literatur eigentlich keine Erwähnung findet. Die Zielerreichung ist maßgeblich davon abhängig, ob wir die Ziele für uns definieren oder ob wir sie mit unserer Außenwelt teilen.

Ziele mit Freunden und Verwandten teilen – Warum?

Zunächst scheint es sinnvoll zu sein, seinen Freunden von seinen Zielen zu erzählen. Würde man zum Beispiel ein Buch schreiben wollen, liegt es doch nahe, seiner Familie, seinen Freunden und Bekannten davon zu berichten. Das hätte einige Vorteile: Zum einen könnte man wertvolles Feedback erhalten. Was sollte noch unbedingt in dem Buch stehen, was würde noch zusätzlich interessieren oder was sollte man vielleicht besser weg lassen? Zusätzlich kommt noch hinzu, dass man dieses Ziel ja dann erreichen muss, weil man sich ja sonst blamieren würde. Die anderen würden Fragen, ob man das Ziel schon erreicht hätte und man müsste dann schändlicherweise gestehen, dass man dies noch nicht getan hat, oder dass man das Ziel sogar komplett aus den Augen verloren hat. Alles Faktoren, die die Zielerreichung unterstützen sollten, oder?

Die psychologischen Effekte die dahinter stehen ist zum einen der Konsistenzeffekt. Er beschreibt den Drang der Menschen danach, das Handeln mit eigenen Werten und Überzeugungen in einen Einklang zu bringen. Wer also sagt, dass er etwas erreichen möchte, müsste dies auch erreichen, um eine Konsistenz zwischen Wort und Tat zu erhalten. Warum sollte dies also nicht auch bei anderen Zielen funktionieren?

Der Intention-Behaviour Gap

Der Intention-Behaviour Gap (Absicht-Verhalten Lücke) beschreibt ein Phänomen, dass zwischen der Absicht einer Person und dem tatsächlichen Verhalten dieser Person, eine gewisse Lücke entsteht. Wer also sagt, er möchte in den nächsten Monaten 20kg abnehmen, dann aber tatsächlich 2kg zunimmt, hat ein großes Intention-Behaviour Gap.

In einer Studie[1] interessierte die Forscher, ob die soziale Anerkennung von Zielen einen Einfluss auf die tatsächliche Zielerreichung hat. Sie wollten also den Intention-Behaviour Gap mit dem Hintergrund der sozialen Anerkennung messen. Sie suchten sich in zwei Studien Studenten, die in einer Umfrage, eine hohe Identifikation mit dem Studienziel erreichten. Konkret fragten sie einmal Jurastudenten und einmal Psychologiestudenten. Die Studenten, die sich stark mit dem Jurastudium identifizierten, oder die sich stark mit dem Beruf des klinischen Psychologen identifizierten, durften dann an der zweiten Studie teilnehmen.

Hier sollten die Studenten dann nochmals etwas über ihre Identifikation mit dem Studium beantworten und auf einem zweiten Teil des Fragebogens bestimmte Ziele angeben (Jurastudenten) oder die Zustimmung zu bestimmten Zielen ankreuzen (Psychologiestudenten). Im zweiten Teil des Experiments kam es dann zu einer sozialen Anerkennung der Ziele oder nicht. Wenn diese anerkannt wurden, hat der Forscher sich den Zettel genau angeschaut und gefragt, ob die Kreuze so gesetzt sind, wie er es wirklich möchte. Er hat sich also mit der Zustimmung zu den bestimmten Zielen oder auch zu den konkreten, selbst generierten Zielen auseinandergesetzt. In der Situation, wo die Ziele nicht sozial anerkannt wurden, hat der Versuchsleiter den Fragebogen dann unmittelbar in eine Kiste werfen lassen, wodurch für den Teilnehmer klar war, dass er den Fragebogen anonym abgegeben hat.

Im zweiten Teil wurde dann geschaut, wie sehr sich an die angegebenen Ziele gehalten wurde. Die Jurastudenten, die sich ihre Ziele ja selber aussuchen durften, wurden mittels Fragebogen gefragt, wie sehr sie dies in der letzten Woche auch gemacht haben. Die Psychologiestudenten, die nur zu bestimmten Zielen den Grad der Zustimmung angeben durften, bekamen sofort im Anschluss, getarnt als zusätzliches Experiment, die Möglichkeit, dass eben bewertete Ziel zu erreichen. Die Frage war beispielsweise: „Würden Sie sich Videomitschnitte von Therapiesitzungen anschauen um ein größeres Verständnis für Psychotherapie zu erhalten?“. Im zweiten, scheinbar unabhängigen, Experiment, sollten sie dann die Anzahl an Augenkontakten zwischen Therapeut und Patient zählen und die Therapeutenbeziehung bewerten. Die Zielerreichung war also in beiden Fällen die Grundlage der Bewertung.

Das Ergebnis ist dabei äußerst interessant. Es gab einen signifikanten Unterschied zwischen der Gruppe, die ihre Ziele publik machen konnte und der Gruppe, die davon überzeugt war, dass niemand die Ziele mit ihnen in Verbindung bringen könnte. Diejenigen, die ihre Ziele dem Versuchsleiter mitteilten, arbeiteten signifikant weniger an der Zielerreichung als diejenigen, die keine Möglichkeit dazu hatten, jemandem die Ziele zu erzählen. Ob die Ziele also Privat und nur für sich alleine gemacht wurden, hatte also einen positiveren Effekt auf die Zielerreichung, als wenn man einem anderen Dritten, die Ziele verraten hätte.

Gründe für die mangelnde Zielerreichung

Warum ist das nun so? Die letzte Studie, die die Forscher in der Veröffentlichung benennen, gibt einen starken Hinweis auf die Hintergründe. Wieder haben sie Jurastudenten zur Zustimmung bestimmter, studienbezogener Ziele gefragt und wieder gab es eine Bedingung, in der sie die Möglichkeit hatten, die Ziele öffentlich bekannt zu geben und eine Bedingung, wo sie diese Möglichkeit nicht hatten. Hinterher wurde allerdings nicht überprüft, ob sie diese Ziele nun versuchen zu erreichen oder nicht, sondern sie wurden gefragt, wie sehr sie sich in diesem Moment als voll ausgebildete Juristen fühlen. Hier haben sich diejenigen, die ihre Ziele offen verkünden durften, mehr als Jurist gefühlt als diejenigen, die ihre Ziele nicht öffentlich bekannt geben durften.

Was sagt uns das? Das sagt uns, dass das Nennen der Ziele in uns ein Gefühl des Erreichens der Ziele auslöst. Wir haben also sozusagen schon eine innere Belohnung für die Ziele erhalten, ohne die Ziele erreicht zu haben. Dadurch wird dann der innere Antrieb weniger, den Zielen tatsächlich nachzugehen. Immerhin fühlen wir uns ja schon gut durch die pure Veröffentlichung der Ziele, ganz ohne Zielerreichung.

Takeaway

Wir können von dieser Studie lernen, dass das formulieren persönlicher Ziele einen großen Vorteil für unsere Lebensplanung und Produktivität hat. Wir dürfen allerdings nicht in die Falle tappen, dass wir unsere Ziele mit anderen Menschen teilen und uns somit verfrüht belohnen. Schreibt eure Ziele auf und versucht sie zu erreichen, aber behaltet sie für euch. Das Verkünden von Erfolgen ist zudem deutlich eindrucksvoller, als das Verkünden von Zielen.

Vielen Dank für das Lesen des Blogartikels. Wenn ihr Themenvorschläge habt, würde ich mich sehr darüber freuen, sie in den Kommentaren zu lesen.

 Quelle:
[1] Gollwitzer, P. M., Sheeran, P., Michalski, V., & Seifert, A. E. (2009). When intentions go public does social reality widen the intention-behavior gap?. Psychological science20(5), 612-618.

3 comments

  1. Hey, ich habe das am eigenen Leib erfahren, wie mir das Verkünden von Zielen die Motivation geraubt hat. Meine Frage wäre jetzt nur: Wie sieht es genau mit dem Verkünden von Erfolgen aus? Ich habe nämlich hierbei ebenfalls das Gefühl, dass vor allem das Verkünden von kleinen Zwischenerfolgen sich kontraproduktiv auf die Motivation auswirkt. Liege ich hierbei mit meiner Annahme richtig?

    1. Hallo Dennis,

      danke für deinen Kommentar. Das Verkünden von Erfolgen würde ich nicht zwangsweise darunter fassen. Das Verkünden von Zwischenerfolgen ist da schon eine andere Nummer.

      Nehmen wir an du möchtest ein Buch schreiben, wenn du jetzt verkündest, dass du bereits zwei Kapitel oder so geschrieben hast, würde das ja die Verkündung des Ziels: Buch schreiben darunter fassen, ohne dass du das Ziel erreicht hast. Du hättest somit schon die Befriedigung für dein Hauptziel erhalten ohne es erreicht zu haben, das kann dann durchaus die Motivation zerstören und die Erreichung des letztendlichen Ziels verhindern.

      Im Endeffekt kommt es aber immer darauf an wie du dich dabei fühlst. Zwischenziele wären eher für deinen Rechenschaftspartner wichtig, damit dieser deinen Fortschritt kontrollieren kann und dich auf Kurs hält, für die breite Masse würde ich diese allerdings eher geheim halten.

      Beste Grüße,
      Dennis

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