Hintergründe der Prüfungsangst

Nervös sitzt man im Klassen- oder Vorlesungsraum und wartet auf die Worte des Dozenten: „Fühlt sich jeder physisch wie psychisch dazu in der Lage diese Klausur zu schreiben?“. Nein denkt man sich, aber schweigt selbstverständlich. An der Prüfung kommt man ja doch nicht vorbei. Anschließend schwitzt man, während der Dozent mitsamt seiner Lakaien durch die Reihen marschiert und mit stoischer Exaktheit die viel zu leeren Prüfungsbögen vor die Prüflinge legt. „Erst umdrehen, wenn ich das Kommando dazu gebe.“. Als ob das was bringen würde denkt man sich, die Schweißperlen von der Stirn wischend. Noch schnell wird der Glücksbringer richtig auf dem Tisch positioniert und ein Schluck Wasser getrunken. „Sie haben Zeit bis 11:45Uhr, Sie dürfen jetzt starten!“. Mit zitternden Fingern wird die Klausur umgedreht, es fällt schwer sich auf die erste Frage zu konzentrieren. Werde ich die Klausur bestehen? Werde ich scheitern? Wie viele Versuche habe ich für diese Klausur? Was ist wenn ich das Studium deswegen verhaue? Was sollen meine Freunde denken? Was meine Eltern? Prüfungsangst ist ein übler Mitspieler.

Prüfungsangst

Prüfungsangst hat schon so manches Studium versaut. Obwohl viele vernünftig lernen, ist ihr Kopf in der tatsächlichen Prüfungssituation wie leer gefegt. Die verinnerlichten Formeln sind weg und die hunderte mal vorgesagten Merksätze wie fort geblasen. In der psychologischen Forschung hat Prüfungsangst also auch immer eine gewisse Rolle gespielt und es gab einiges an interessanter Forschung zu diesem Themengebiet. Ich möchte mich mit dem Artikel heute also dem theoretischen Hintergrund der Prüfungsangst widmen und in zukünftigen Blogartikeln eher auf die Strategien eingehen um die Prüfungsangst zu besiegen.

Antriebe in Prüfungssituationen

Zunächst müssen wir uns anschauen, was in der Prüfungssituation eigentlich genau passiert. In Studien konnten zwei hauptsächliche Antriebe in Prüfungssituationen gefunden werden, die einen fundamentalen Einfluss auf die Ausprägung von Prüfungsangst haben.

Aufgabenspezifische Antriebe

Die aufgabenspezifischen Antriebe sind die Antriebe, die wir in der Regel haben möchten. Die aufgabenspezifischen Antriebe sorgen dafür, dass wir die Aufgaben anfangen zu lösen um ein Erfolgserlebnis zu haben. Sie sind eigentlich vollkommen unproblematisch und gewollt, damit wir die Aufgaben schnell, konzentriert und korrekt lösen können.

Angstantriebe

Angstantriebe sind dabei anders. Angstantriebe sind die Antriebe, die für die Prüfungsangst verantwortlich sind. Sie bestehen aus gegensätzlichem Verhalten. Zum einen wird ebenfalls aufgabenspezifischs Verhalten aktiviert, damit die Aufgaben gelöst werden und durch die Lösung der Aufgaben die Angst reduziert werden kann. Sie bestehen allerdings auch aus selbstbezogenem Verhalten. Diese selbstbezogenen Gedanken sind die problematischsten, sie setzen sich aus Gedanken der eigenen Unzulänglichkeit, Hilflosigkeit, Schuld, Scham und Erwartung von Bestrafung zusammen. Diese Beschäftigung mit sich selbst ist aufgabenirrelevant und hindert einen in der Regel effektiv daran, die Aufgaben vernünftig lösen zu können.

Sorge und Emotionalität

Die Angstantriebe müssen dabei noch weiter unterteilt werden. Zum einen kann man natürlich sagen, dass das aufgabenspezifische Verhalten nicht schlecht ist und ebenfalls eine produktive Beschäftigung mit der vor einem liegenden Herausforderung darstellt. Dementsprechend kann man auch die Angstantriebe in förderliche und hinderliche Faktoren einteilen. Die Förderlichen bestehen dabei aus dem aufgabenspezifischen Verhalten, die Hinderlichen aus dem selbstbezogenen Verhalten. Dieses kann eingeteilt werden in Sorge und Emotionalität.

Sorge

Sorge beschreibt im Konzept der Prüfungsangst die emotionalen Reaktionen auf eine Prüfungssituationen. Wer sich also selber in Frage stellt und davon ausgeht, dass er nicht die nötigen Mittel hat um die Klausur gut zu bestehen hat eine starke Ausprägung des Faktors Sorge. Negativ ist dabei, dass Sorge den Großteil des negativen Einflusses der Prüfungsangst ausmacht.

Emotionalität

Emotionalität beschreibt die, eigentlich normalen, körperlichen Reaktionen auf eine Situation. Wer also besonders stark wahrnimmt, dass sein Herz schneller schlägt oder wo die Hände schwitzig werden, hat eine hohe Ausprägung an Emotionalität.

Aufmerksamkeitsaufteilung bei Prüfungsangst

Wo liegt aber nun das eigentliche Problem in der Prüfung? Warum können sich Menschen, die unter Prüfungsangst leiden nicht richtig auf die Aufgaben konzentrieren? Studien zeigen, dass sich unter Prüfungsangst leidende Menschen, andauernd Gedanken über die eigene Leistungsfähigkeit, die Leistungsfähigkeit anderer und die Korrektheit ihrer Antworten machen. Die Gedanken sind also eher wirr und nicht sonderlich fokussiert. Statt zu versuchen, eine Aufgabe nach der anderen konzentriert zu lösen, sind die Gedanken eines Menschen mit Prüfungsangst, immer mal wieder bei der Aufgabe, dann wieder bei der Frage ob man genug gelernt hätte, dann bei der Frage, ob die anderen wohl besser abschneiden oder auch solche Probleme habe und dann erst wieder bei der Prüfungsaufgabe.

Die Bearbeitung der eigentlichen Aufgabe wird dadurch natürlich besonders schwer und ermöglicht nur selten eine gute Note. Da so auch häufig Gedankenstränge abreißen können, erklärt sich, warum viele von einem Blackout sprechen, sie also eigentlich keinen klaren prüfungsbezogenen Gedanken mehr finden können und alles was sie gelernt haben wie vergessen scheint. Nach der Prüfung können sie sich aber häufig wieder daran erinnern. Wir verstehen jetzt auch warum: die Sorgen um die eigene und die Leistung anderer ist dann nicht mehr gegeben.

Additives Prüfungsangst Modell

In der Realität wirken in der Regel immer mehrere Faktoren. Es nur auf eine persönliche Eigenschaft zu reduzieren wäre zu kurz gedacht. Das additive Modell der Prüfungsangst geht genau darauf ein. Es geht davon aus, dass nicht nur die individuelle Ausprägung von Sorge und Emotionalität einen Einfluss auf die Leistungen des Prüflings haben, sondern auch die Umgebungsfaktoren. Dies gehe so weit, dass Studenten die unter Prüfungsangst leiden nur dann Leistungseinbußen zeigen würden, wenn bestimmte Umgebungsbedingungen erfüllt sind. Der Text beispielsweise als besonders gefährlich bewertet wird oder die eigene Kompetenz in diesem speziellen Feld als besonders gering wahrgenommen wird.

Geschlechtsunterschiede der Prüfungsangst

Im Thema Prüfungsangst gibt es, bei großen Stichproben, starke Hinweise darauf, dass Frauen schlimmer betroffen sind als Männer. Manche Studien gehen davon aus, dass dies besonders dann der Fall ist, wenn die Leistungsbewertung im Vordergrund steht. Frauen sich also weniger fähig einschätzen würden, wenn ihnen bewusst ist, dass jetzt jemand ganz besonders auf ihr abschneiden achtet. Gemäß anderen Studien, seien diese erhobenen Unterschiede in der Prüfungsangst allerdings keine Ursache für schlechtere Noten und hätten keinen sonderlich großen Einfluss. Dies könnte unter anderem an Problemen der Erhebung liegen. So könnten Frauen beispielsweise einen höheren Wert im Rahmen der Emotionalität erreichen, aber einen gleichen Sorgewert wie Männer haben. Dadurch würden Frauen generell höher eingeschätzt werden, wenn es um Prüfungsangst geht, allerdings nur wegen eines Wertes der keine sonderliche Auswirkung auf die tatsächliche Leistungsfähigkeit hat.

Fazit Prüfungsangst

Prüfungsangst ist ein Phänomen, was viele betrifft. Es lähmt und senkt die Leistungsfähigkeit in der Regel erheblich. Mit diesem Blogartikel wollte ich einen Überblick über den Stand der aktuellen Forschung geben. In einem folgenden Blogartikel werden wir uns dann ein wenig praktischer mit dem Thema Prüfungsangst auseinandersetzen und Methoden erarbeiten die bei der Bekämpfung dessen helfen können. Inzwischen würde mich allerdings interessieren, ob ihr euch in diesem Blogartikel wiederfindet oder ob und wie sich Prüfungsangst bei euch auswirkt.

Vielen Dank fürs Lesen!

2 comments

  1. Interessanter Artikel.
    Bis zu einem gewissen Maß ist Prüfungsstress ja sogar leistungsfördernd.
    Problematisch wird’s ja erst, wenn man in Panik verfällt.
    Mein Tipp bei Prüfungsangst: 10 Minuten vor der Prüfung die schlimmsten Befürchtungen aufschreiben. Bei mir wirkt das sprichwörtlich so, dass ich mir die Angst von der Seele schreibe.
    Liebe Grüße
    Magda

  2. Ich danke Ihnen für den interessanten Artikel. Prüfungsangst kann wirklich viele Hintergründe und Ursachen haben. Dem Herr zu werden ist nicht immer ganz einfach.
    Beste Grüße,
    Daniel

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