Folgende Situation: Uwe ist einer der besten und fleißigsten Arbeitskräfte in seiner Firma. Er hat eine sehr hohe fachliche Kompetenz und ein Händchen für zwischenmenschliche Beziehungen. Uwe kümmert sich gerne um andere Mitarbeiter und man kann immer auf ihn zugehen, wenn man eine Frage hat. Am Ende der Woche merkt Uwe allerdings, dass er seine Ziele für diese Woche nicht erreicht hat. Komisch, denkt sich Uwe. Eigentlich war die letzte Woche eine Woche wie jede andere auch. Er ist seinen Aufgaben nachgegangen wie immer und fühlt sich auch ziemlich erschöpft. Das einzige, was anders war als sonst ist, dass ein neuer Mitarbeiter in Uwes Abteilung gekommen ist. Der Kai. Und Kai musste sich erst einmal mit der Software und den Arbeitsstrukturen vertraut machen. Ist ja auch kein Wunder, wenn man einen neuen Arbeitsplatz bekommt. Kai hat schon am ersten Tag gemerkt, dass Uwe sehr hilfsbereit ist und einen eigentlich nie abwimmelt. Er gibt einem stets eine hilfreiche Antwort. Uwe hat eine sehr ausgeprägte pro-soziale Motivation, also eine hohe Motivation seine sozialen Interaktionen positiv zu gestalten.
Und genau da liegt das Problem.
Pro-Soziale Motivation
Auf den ersten Blick scheint das Konzept der pro-sozialen Motivation am Arbeitsplatz nichts Schlechtes zu sein. Vergangene Forschung hat gezeigt, dass diese Motivation die Mitarbeiter dazu bringen kann Eigeninitiative zu zeigen, negatives Feedback annehmen zu können und sich bedeutsame Aufgaben zu suchen. Diese Mitarbeiter werden von ihren Vorsetzen in einem positiven Licht gesehen, weil sie anderen helfen, die Führung in die Hand nehmen, wenn es angebracht ist, und sich bezüglich der Probleme am Arbeitsplatz äußern.
Der Fokus lag primär auf den positiven Konsequenzen, die die pro-soziale Motivation mit sich bringt. Dass dieses Verhalten bzw. Verlangen anderen zu helfen jemandem nicht nur Zeit, sondern auch Energie kostet, wurde bislang eher weniger thematisiert. Nun stellt sich heraus, dass diese Motivation für die helfenden Personen nicht so zum Vorteil sein kann, wie sie für die Personen ist, denen geholfen wird.
Pro-Soziale Motivation erschöpft und beeinträchtigt die Arbeitsleistung
Forscher von der Michigan State University haben in ihrer Studie When Lending a Hand Depletes the Will: The Daily Costs and Benefits of Helping untersucht, welche Konsequenzen es hat, wenn man eine sehr hohe pro-soziale Motivation hat und das Wohlbefinden anderer wichtig für einen ist. Es stellte sich heraus, dass das zu einer mentalen und emotionalen Erschöpfung, sowie zu einer Verschlechterung der Arbeitsleistung führen kann.
Woran kann das liegen? Die Forscher bringen die Begründung, dass diese Personen sich dazu verpflichtet fühlen zu helfen, wenn sie von anderen um Hilfe gebeten werden. Das kann ganz schön an die Materie gehen, wenn das regelmäßig in kurzen Zeitintervalen passiert.
Um dieses Phänomen zu untersuchen haben die Forscher 68 Mitarbeiter von mehreren Firmen und aus diversen Bereichen befragt. Diese Mitarbeiter haben jeweils morgens und am Nachmittag über einen Zeitraum von 15 Tagen einen Fragebogen ausgefüllt, welcher die Erschöpfung im Laufe des Arbeitstages misst. Eine Beispielaussage, die die Versuchsperson bewerten sollte, lautete: „Heute habe ich einem anderen Mitarbeiter geholfen, der meine Hilfe bezüglich arbeitsrelevanter Probleme brauchte, ohne es zu müssen“.
Die Ergebnisse zeigen, dass Mitarbeiter, die anderen übermäßig helfen, erschöpfter sind als diejenigen, die weniger hilfsbereit sind. Außerdem sinkt die Qualität der Arbeit und es werden gehäuft Versuche unternommen, für dieses Defizit aufzukommen, indem man mehr Pausen macht, kurze Nickerchen macht oder vermehrt zu koffeinhaltigen Getränken greift.
Denk drüber nach, bevor du jemanden um Hilfe bittest
Man sollte eventuell zweimal darüber nachdenken, ob man jemanden um Hilfe fragt, wenn man ein Problem hat. Vor allem wenn das mehrmals in einem kurzen Zeitraum ist. Was jedoch ein Licht am Ende des Tunnels sein kann, für die Personen mit einer hohen pro-sozialen Motivation: wenn die Personen, denen geholfen wird, ihren Dank aussprechen und wertschätzen, was für ein Dienst ihnen erwiesen wurde, können die negativen Konsequenzen für die helfende Personen minimiert werden.
Lanaj, K., Johnson, R. E., & Wang, M. (2016). When Lending a Hand Depletes the Will: The Daily Costs and Benefits of Helping. Journal of Applied Psychology. doi:10.1037/apl0000118
Grant, A. M., & Berg, J. M. (2011). Prosocial Motivation at Work. Oxford Handbooks Online. doi:10.1093/oxfordhb/9780199734610.013.0003