Essen

Wie ein Foto dein Essen verändern kann

Du sitzt im Restaurant und bemerkst, dass die Person an Tisch neben dir gerade ihr Essen serviert bekommt. Sie bedankt sich bei dem Kellner und rollt ihr Besteckt aus der Serviette. Anstatt es zu benutzen, fängt die Person an, das Besteck neben den Teller zu legen und es hin und her zu schieben. Wenn es seinen perfekten Platz in Relation zu dem Teller gefunden hat, ist das Essen an der Reihe. Das wird auf dem Teller ebenfalls ein bisschen bewegt. Als schließlich auch das Essen zu der Zufriedenheit der Person am richtigen Platz auf dem Teller liegt, holt sie ihr Handy heraus und fängt an das Essen aus mehreren Perspektiven zu fotografieren. Erst sitzend, dann im Stehen. Mal mit und mal ohne Blitz. Nachdem das Essen, samt Umfeld, scheinbar zu genüge fotografiert wurde, setzt die Person sich wieder an ihren Platz, tippt ein bisschen auf dem Handy herum, steckt es danach weg und fängt mit zufriedenem Grinsen an zu essen.

Wir leben in einer Zeit, in der gefühlt unser ganzes Leben, über diverse Soziale Medien, mit anderen geteilt werden kann. Auf Instagram gibt es eine Reihe beliebter Hashtags, hinter denen sich so einige Kunstwerke aus dem Bereich der Ernährung und Fotografie verbergen. Immer beliebter werden Assoziationen mit gesunder Ernährung. #cleaneating #vegan #glutenfree #foodporn #foodgasm.

Lebensältere Leute mögen dieses Verhalten eventuell schnell verurteilen. Wer ohne Internet und Handy aufgewachsen ist, kann vielleicht nicht verstehen, warum diese Trends entstehen und was die überhaupt für einen Sinn haben. Es kann auch als lästig oder sogar respektlos empfunden werden, wenn andere am Tisch erstmal ihr Handy rauskramen, um eine persönliches Fotoshooting mit ihrem Veggieburger zu haben. Hinter diesem Verhalten steckt aber weitaus mehr, als anderen sein Essen zu zeigen. Oder den Anschein vermitteln zu wollen, dass man sich total gesund ernährt und auf sich achtet.

In ihrem Paper How consumer-generated images shape important consumption outcomes in the food domain haben die amerikanischen Forscher Sean Coary und Morgen Poor die Frage untersucht, welche Folgen das Fotografieren des Essen für den Konsumenten hat und was für Auswirkungen solche Bilder auf andere Leute haben. Sie haben dazu drei Experimente durchgeführt, an denen jeweils über 100 Versuchspersonen teilgenommen haben. Im ersten Experiment wurde untersucht, welche Effekte das Fotografieren von Essen vor dem Konsum auf den Konsumenten hat. Dazu wurden die Versuchspersonen in vier Gruppen eingeteilt: haben ein Foto oder haben kein Foto von gesundem Essen und haben ein Foto oder kein Foto von weniger gesundem Essen bzw. von Genussmitteln gemacht. Der „gesunden“ Gruppe wurde jeweils ein Fruchtsalat serviert. Die Mitglieder der „ungesunden“ Gruppe haben dagegen einen Karamell-Apfel bekommen. Die Ergebnisse zeigen, dass der Karamell-Apfel von der Gruppe, die ihn vor dem Essen fotografiert hat, als leckerer empfunden wurde. Es gab allerdings keine Unterschiede zwischen den beiden „gesunden“ Gruppen.

Im zweiten Experiment wollten die Forscher wissen, inwiefern die Überzeugung der Versuchspersonen, bei der Bewertung der Nahrung, eine Rolle spielt. Mit Überzeugung ist in diesem Kontext gemeint, ob die Nahrung von den Versuchspersonen als gesund oder eher als ungesund eingeschätzt wurde. Hierzu wurden die Gruppen wie im ersten Experiment eingeteilt. Jedoch wurde jeder Person ein roter Samtkuchen (red velvet cake) serviert. Den „gesunden“ Gruppen wurde gesagt, dass ihre Kuchen aus besonders hochwertigen Zutaten bestehen würden. Den „ungesunden“ Gruppen wurde vorab erklärt, ihre Kuchen seien mit herkömmlichen Produkten zubereitet worden . Hier stellte sich heraus, dass die Gruppe, die ihre Kuchen als gesund einschätzte und vor dem Essen fotografierte, sie als leckerer einstuften als die „ungesunde“ Gruppe, die ebenfalls ein Foto gemacht hat. Zwischen den Gruppen, die ihre Kuchen nicht vorab fotografierten, gab es keine Unterschiede.

In den ersten beiden Experimenten konnte gezeigt werden, dass das Fotografieren von ungesünderen Lebensmitteln dazu führt, dass die Konsumenten diese als leckerer einstufen. Allerdings gab es diesen Effekt nicht bei den gesunden Lebensmitteln. Im dritten und letzten Experiment wird die ganze Sache ein bisschen komplizierter. Die Gruppen wurden wie gewohnt eingeteilt. Die Versuchspersonen mussten jedoch am Anfang des Experiments einen Zeitungsartikel lesen. Es gab zwei verschiedene Zeitungsartikel und sie vermittelten entweder eine positive oder eine negative soziale Norm. Die positive soziale Norm war beispielsweise durch einen Artikel über gute Essgewohnheiten repräsentiert und im Gegenzug standen negative Essgewohnheiten für die negative soziale Norm. Das gesunde Essen wurde von den Personen am leckersten eingestuft, die einen positiven Zeitungsartikel gelesen und ihr Essen vor dem Konsum fotografiert haben. Jedoch haben die Leute, die nur den positiven Zeitungsartikel gelesen haben, ihr gesundes Essen auch besser eingestuft als die Kontrollgruppen. Bei den ungesunden Gruppen gab es diesen Effekt nicht.

Was heißt das in der Praxis?

Wenn jemand sich einen Obstteller, der auf Instagram unter #cleaneating zu finden ist, anschaut und sich dann selber einen ähnlichen Obstteller zubereitet, genießt er diesen mehr, als wenn er die Fotos nicht angesehen hätte.

Warum ist das so?

Wenn jemand Bilder von seiner gesunden Nahrung auf Instagram postet, wird das Begehren seitens der Konsumenten erzeugt, sich gesund zu ernähren. Wenn du selber deine gesunde Nahrung fotografierst, um die Bilder auf Instagram hochzuladen, verzögerst du deinen eigenen Konsum dieser Nahrung. Hierbei erzeugst du Vorfreude auf den anstehenden Genuss. Du setzt dich auch aktiv mit deinem Essen auseinander und schenkst deinem Essen mehr Aufmerksamkeit. Dieser Prozess des Auseinandersetzens macht den Unterschied. Du antizipierst die ganze Zeit, wie gut dein Essen schmecken wird. Und wenn es dann endlich so weit ist, schmeckt der erste Happen um so besser.

Quelle:

Coary, S., & Poor, M. (2016). How consumer-generated images shape important consumption outcomes in the food domain. Journal of Consumer Marketing, 33(1), 1-8. doi:10.1108/jcm-02-2015-1337

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