Irrenanstalt

Topeka State Hospital – Irrenanstalt mit widersprüchlicher Geschichte

Das Topeka State Hospital wurde 1879 in Topeka, Kansas, eröffnet. Der Grund für den Bau der Irrenanstalt war, dass das Osawatomie State Hospital im benachbartem Ort Osawatomie überfüllt war. Der Bundesstaat Kansas gab 1875 den Auftrag, eine neue Irrenanstalt für die Unterbringung und Behandlung von Geisteskranken zu bauen. Das Anwesen sollte auf einem Grundstück errichtet werden, das mindestens 80 Hektar groß ist und dem Staat keine Kosten bereiten soll. Außerdem sollten Vertrauenspersonen aus dem Osawatomie State Hospital den Bau der Anlage überwachen. Das erste Gebäude der Anstalt wurde 1879 eröffnet. Auf dem Gelände gab es mehrere Gebäudekomplexe. Zentral lag das Administrationsgebäude. Angegliedert befanden sich die Waschküche, die Bäckerei und der Kesselraum. Die Wohnräume der Patienten wurden rechts und links an das Administrationsgebäude gebaut und konnten jeweils über einen Flur erreicht werden. Ursprünglich trug diese Anstalt den Namen „Topeka Insane Asylum“ also Topeka Irrenanstalt. 1901 wurde sie dann umbenannt. Innerhalb der ersten 6 Jahren nach der Eröffnung, wurden zusätzlich ein Bereich für Tuberkulosepatienten, weitere Unterkünfte für weibliche Patienten und eine Erweiterung der Unterkünfte der männlichen Patienten gebaut. Bis 1919 wurden ausschließlich verurteilte Verbrecher in die Anstalt eingewiesen. Der erste Leiter der Anstalt, Dr Barnard Eastman, starb bereits im Jahre 1909. Interessanterweise soll er seinerzeit gesagt haben, dass das Topeka State Hospital die Patienten von den Sorgen, dem Überarbeiten, den unhygienischen Bedingungen und dem ungeeigneten Essen, welches in vielen Haushalten allgegenwärtig war, befreien wird. Die Methoden, die das Personal anwendeten, sollten den Körper und den Geist beschäftigen, die Melancholie vertreiben und die Aufgeregten und Irritierten besänftigen. Ob diese Aussagen der damaligen Wirklichkeit entsprechen, wird in dem nächsten Abschnitt erörtert.

Die ersten Skandale

Die ersten Misshandlungsfälle kamen bereits Anfang des 20. Jahrhunderts ans Licht. Patienten wurden von dem Personal vernachlässigt, körperlich missbraucht und in manchen Fällen sogar vergewaltigt. Zu dieser Zeit hat ein Journalist die Irrenanstalt besucht, um sich ein Bild über die Zustände zu machen. Auf das, was ihn dort erwartete, war er jedoch nicht vorbereitet. In seinem fertigen Artikel beschrieb er, dass er einen Patienten sah, der wohl so lange auf einer Liege festgeschnallt war, das die Haut des Patienten mit der Lederschnalle zusammengewachsen sei, die seine Handgelenkte fixierte. Ansonsten wurden die Patienten der Anstalt, wenn sie körperlich dazu in der Lage waren, als Arbeitskräfte rund um das Anwesen eingesetzt. Einige wurden als Bauarbeiter missbraucht, andere arbeiteten auf dem Hof oder tätigten Näharbeiten. Das Personal rechtfertigte sich mit der Behauptung, dass diese Arbeiten einen therapeutischen Effekt hätten. Kritiker der Anstalt jedoch waren sich sicher, dass die Patienten als Sklaven eingesetzt wurden, um Kosten für die anfallenden Projekte zu drücken. Trotzdem gab es bis 1948 keine markanten Veränderungen in dem Alltagsbetrieb der Anstalt.
Dann hat der Staat Kansas im Laufe der Jahre die Gelder gekürzt, die der Anstalt zur Verfügung standen. Die Leidtragenden dieser Umstände waren natürlich die Patienten. Dadurch, dass ein Großteil des Personals entlassen wurde, hatten die Patienten keine andere Wahl als den ganzen Tag in den Fluren der Anstalt zu verweilen und sich irgendwie zu beschäftigen. Einige saßen beispielsweise den ganzen Tag in Schaukelstühlen, die hintereinander aufgestellt über einen ganzen Flurabschnitt standen. Neuankömmlinge wurden nicht genauer untersucht, sondern nach ihrer Ankunft einfach in die Gesamtpopulation gesteckt. Es galt zwar noch die Regelung, dass Patienten nur von einem Gericht in die Anstalt eingewiesen werden konnten, aber für manche Patienten konnten gar keine Akten gefunden werden. In Extremfällen wurden Patienten gar nicht identifiziert, sondern ohne zu fragen eingewiesen.

Reformen – Wie aus der Irrenanstalt eine renommierte Ausbildungsstätte auf höchstem Niveau wurde

Das Ausmaß der damaligen Zustände bewegte den Gouverneur Frank Carlson dazu ein 5-köpfiges Gremium aufzustellen, um die Situation an der Anstalt zu evaluieren. Die Ergebnisse dieser Evaluation zeigten, dass es erhebliche Mängel in jedem untersuchten Bereich gab. Es folgte eine Verdopplung der Gelder und das Topeka State Hospital wurde zu einer Ausbildungsstätte für psychiatrisches Personal ernannt. Die Schaukelstühle wurden aus den Fluren genommen und jeder Missbrauchsfall wurde ab diesem Zeitpunkt gemeldet und untersucht. Es wurden sogar Sozialarbeiter eingestellt. Diese begannen dann damit Patienten zu entlassen, die als geheilt galten. In den folgenden Jahren wurden auch Ärzte eingestellt, um den Patienten eine adäquate medizinische Betreuung bieten zu können. Die Anstalt gewann durch diese Maßnahmen hohes Ansehen und diente sogar als Musterbeispiel für ein erfolgreiches Behandlungszentrum. Im Gegensatz zu den Umständen vor der Evaluation durch das Gremium scheinen diese neuen Gegebenheiten zu schön, um Wahr zu sein. Das waren sie auch.
Denn 1958 ging es wieder bergab mit der Anstalt. Und wieder waren es gekürzte Gelder, die den Stein ins Rollen brachten. Gehälter konnten nicht länger in einem Umfang ausgezahlt werden, der das Personal zufrieden stellte. Deshalb verließen viele kompetente Mitarbeiter die Anstalt. Diese Situation wurde sofort genutzt, um viele Patienten einfach wieder mit Beruhigungsmitteln lahm zu legen. Auch damit sie nicht mitbekommen, was um sie herum passiert. Obwohl es in den folgenden Jahrzehnten wieder zusehends positive Entwicklungen gab, konnte das Topeka State Hospital den einstigen Standart nicht mehr erreichen. Als Betreuungsprogramme, die von den Gemeinden übernommen wurden, sich zunehmender Beliebtheit erfreuten, kam es 1997 letztlich zur Schließung der Anstalt.
Jetzt drängt sich natürlich die Frage auf, ob das Topeka State Hospital so schrecklich war? Im Gegensatz zu anderen Anstalten halten sich die schrecklichen Ereignisse und Zustände tatsächlich in einem überschaubaren Rahmen. Das liegt eventuell daran, dass manche „Praktiken“ damals sogar von dem Gesetz vorgegeben wurden. Nichts desto trotz sind die Zustände aus heutiger Sicht teilweise grauenvoll gewesen.

Zwangssterilisation

1913 wurde in Kansas ein Gesetz verabschiedet, das die Sterilisation von „Gewohnheitsverbrechern, Idioten, Epileptikern, Schwachsinnigen, und Verrückten“ durchsetzte. Bis 1917 musste ein Gericht über jeden Fall einzeln bestimmen. Danach wurde es den Institutionen selbst überlassen, wer sterilisiert wird und wer nicht. Diese Methode wurde weitgehend von der Öffentlichkeit unterstützt, da zu dem Zeitpunkt in der Geschichte die sogenannten „Fitter Families“ Wettbewerbe sehr beliebt waren. Bei diesen Wettbewerben traten Familien gegeneinander an und eine Jury beurteile, welche Familie den anderen überlegen war. Überlegen im Sinne von körperlichen und geistigen Leistungen. Je besser die einzelnen Familienmitglieder bewertet wurde desto mehr Punkte wurde der Familie gegeben. Die Familie mit den meisten Punkten hat gewonnen und war den anderen überlegen. Deswegen wurde das Sterilisationsgesetz befürwortet. Ganz in der Tradition der Eugenik.
Im Topeka State Hospital wurden bis 1961 Tausende von Sterilisationen durchgeführt. Es gab sogar Gründe für diese Sterilisationen, unter anderem weil diese auch in die Krankenakte des Patienten geschrieben werden mussten. Auf der ein Seite stehen eugenische Gründe. Patienten mit Lernschwächen oder Verkrüppelungen wurden sterilisiert, weil ihr Erbgut als etwas niederes Betrachtet wurde. Auf der anderen Seite stehen therapeutische Gründe. Patienten, die ein ausgeprägtes Libido hatten oder zur exzessiven Masturbation neigten, wurden sterilisiert, um sie von ihren Trieben zu befreien. Die Zwangssterilisation wurde allerdings auch zur Bestrafung durchgeführt.

Der Mord an Stephanie Uhlrig

Stephanie Uhlrig arbeitete als Therapeutin im Topeka State Hospital. Ihre Schwerpunkte waren Musik und die Gestaltung der täglichen Aktivitäten. Am 23 Februar 1992 organisierte Sie, zusammen mit einem Kollegen, einen Ausflug, an dem mehrere Patienten teilnahmen. Die Gruppe sah sich einen Film im örtlichen Kino an. Nachdem die Gruppe wieder am Topeka State Hospital war, ging Stephanie Uhlrig auf die Herrentoilette, um nach einem Patienten zu sehen. Dieser Patient war der 26-jährige Kenneth Duane Waddel. Dieser nutzte die Situation und erwürge Stephanie Uhrlig, die nur 30 Jahre alt wurde. Er wurde zur lebenslanger Haft verurteilt. Eigentlich befand sich Waddel in der geschlossenen Abteilung der Irrenanstalt. Diese wurde allerdings aufgelöst als die Gelder knapp wurden. Die gekürzten Gelder haben Stephanie Uhlrig ihr Leben gekostet.

Schließung und Abriss der Irrenanstalt

Das Topeka State Hospital wurde offiziell am 17 Mai 1997 geschlossen. Der Bundesstaat Kansas hatte erkannt, dass die groß angelegten Irrenanstalten nicht mehr zeitgemäß waren. Die alternativen Behandlungsmöglichkeiten wurden immer beliebter und immer weniger Patienten wurden in die großen Anstalten eingewiesen. Seit der Schließung wurden so gut wie alle Gebäude der Anstalt abgerissen. Der Friedhof des Geländes blieb bis zum heutigen Tage erhalten. Er ist nicht nur eine Erinnerung an all die Menschen, die ihr Leben im Topeka State Hospital verloren haben, sondern auch an die fragwürdigen und teilweise grausem therapeutischen Praktiken im Umgang mit psychologischen und körperlichen Störungen.

Dieser Post ist der erste Teil einer kleinen Artikel-Serie. Wir freuen uns über jedes Feedback. Hinterlasse uns doch am Ende des Artikels ein Kommentar!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert