selbstwirksamkeitserwartung

Selbstwirksamkeitserwartung: Warum Kinder von Ärzten Ärzte werden

Meine Schulzeit ist inzwischen bereits einige Jahre hinter mir und ich befinde mich kurz davor in den beruflichen Alltag überzugehen. Da habe ich mich mal ein wenig umgeschaut was so die anderen machen, mit denen ich damals in die Schule ging. Einige haben eine Lehre angefangen und sind jetzt Bankangestellte oder Informatiker. Andere studieren und sind jetzt auf dem Weg Anwalt oder Arzt zu werden. Die Wege die meine ehemaligen Mitschüler bestritten sind also mannigfaltig und jeder hat eine Aufgabe gefunden. Der eine mehr, der andere weniger. Aber eine Sache fällt mir immer wieder auf. Manche Berufe häufen sich in der Familie. Warum ist das so? Liegt es an der Selbstwirksamkeitserwartung? Wenn ja, was ist das überhaupt?

Aus meinem ehemaligen Umfeld wurden nur zwei Klassenkameraden Ärzte. Interessant ist allerdings, dass die Väter von beiden ebenfalls Ärzte waren. Ich fand das schon immer merkwürdig, weil auch in meinem weiteren Umfeld auffällt, dass die Kinder häufig die Berufe der Eltern aufnehmen. So fand ich weitere Beispiele, Kinder von professionellen Sportlern werden häufig ebenfalls professionelle Sportler. Die Kinder von prominenten Schauspielern werden ebenfalls Schauspieler. Es findet sich also eine gewisse Regelmäßigkeit in der Berufsfindung. Wir scheinen dazu zu neigen Berufe zu erlernen, die unsere Eltern ebenfalls erlernten.

Diese Erkenntnis hat mich zum Nachdenken gebracht, warum ist das so? Warum scheinen wir gar nicht die Selbstständigkeit in der Entscheidungsfindung zu haben, die wir uns eigentlich so gerne zugestehen? Im Folgenden möchte ich drei Gründe nennen, die mir zu dem Thema eingefallen sind und die überraschend schnell gesellschaftskritisch wurden:

Warum wählen wir die Berufe unserer Eltern?

Räumen wir das offensichtliche zunächst aus dem Weg. Das Kind eines Arztes hat meistens die entsprechenden Mittel, um die überaus teure und zeitintensive Ausbildung zum Arzt finanzieren zu können. Gleichfalls hat es ebenfalls Zugriff auf ein gewisses kognitives Kapital, was sich durch das Wissen seiner Eltern äußert. Dieser Faktor hat allerdings größeren Wert, wenn es um akademische, teure und gut bezahlte Berufe geht, erklärt aber nicht, warum sich diese Häufung auch in weniger gut bezahlen Berufen zeigt.

Wir möchten „gefallen“!

Der erste psychologische Grund, den ich also einwerfen möchte, ist der des „Gefallens“. Viele Kinder haben ein inneres Verlangen danach den Idealen und Erfolgen ihrer Eltern nachzueifern. Sie möchten wenigstens genauso gut sein wie ihre Eltern und wollen etwas erreichen. Sie haben häufig nicht das Gefühl zu genügen und müssen sich somit zunächst selbst beweisen. Psychologische Forschung zeigte, dass Menschen, die einem ähnlich sind, sympathischer wirken. So zeigte eine Studie[1] sogar, dass das Ausmaß der Nachahmung eines Gegenübers ansteigt, wenn man das Gegenüber mag, aber nicht nachlässt, wenn man Gründe hat, die Person nicht zu mögen. Die Nutzung der Nachahmung um anderen Personen zu gefallen ist also ein bewährtes und häufig eingesetztes Werkzeug um gemocht zu werden. Es wäre nur allzu überraschend, wenn es nicht auch bei der Berufswahl eine wichtige Rolle spielen würde.

Verfügbarkeitheuristik

Der nächste psychologische Effekt ist die Nutzung einer Heuristik. Heuristiken sind Denkabkürzungen für unser Gehirn. Es prasseln Tag für Tag so viele Reize auf uns ein, dass wir nicht alle verarbeiten können. Das Gehirn hat sich dementsprechend Mittel und Wege ausgedacht um dieser Reizüberflutung Herr zu werden, aber dennoch nicht schlechtere Entscheidungen zu treffen. In diesem Fall stellen wir uns die arbeitssuchende Person kurz vor oder nach dem Schulabschluss vor. Diese Person wird nun geradezu überwältigt von einer Vielzahl an möglichen Berufen. Es ist nahezu unmöglich jeden Beruf genauer zu betrachten, die Vor- und Nachteile abzuwägen um dann im Endeffekt zu einer guten und elaborierten Entscheidung zu kommen. Hier werden somit verschiedenste Heuristiken angewendet. Die Heuristik, die dazu führt, dass wir den Beruf unserer Eltern ergreifen wäre hier die „availability Heuristik“ also die Verfügbarkeitsheuristik. Sie beschreibt den Effekt, dass wir uns schneller an Dinge erinnern können, die wir häufig oder kürzlich erlebt haben. Dadurch, dass wir nahezu täglich mit den Berufen unserer Eltern in Kontakt kommen, haben wir unfassbar viele Informationen über diesen Beruf und der Abruf dieser Informationen fällt uns äußerst leicht. Durch die ständige Konfrontation mit dem Beruf unserer Eltern haben wir unserem Gehirn beigebracht in diesen Mustern zu denken. Berufliche Beispiele in der Schule werden mit den Beispielen der Berufe unserer Eltern in Verbindung gebracht und erleben somit eine mehr oder weniger direkte Verbindung miteinander. Wir erleben also eine Manipulation unseres Gehirns indem es uns denken lässt, dass der Beruf unserer Eltern interessant und gut ist weil wir einfach häufig mit ihm konfrontiert wurden. Hier spielen auch Punkte des Mere Exposure Effekts hinein welcher beschreibt, dass Reize alleine dadurch sympathischer erscheinen, weil wir ihnen häufiger begegnet sind.

Selbstwirksamkeitserwartung

Der dritte Effekt ist ein Effekt, der zu einer gewissen Ernüchterung oder gar Frustration geführt hat, als ich näher darüber nachdachte. Es ist der Effekt der „Self Efficacy“ also der Selbstwirksamkeitserwartung. Im Schulkontext könnte man damit beschreiben, in wie fern man das Gefühl hat den Ausgang der Benotung zu beeinflussen. Hat also jemand eine hohe Selbstwirksamkeitserwartung, wird er davon ausgehen einen starken Einfluss auf die Benotung zu haben. Er denkt sich, dass er das schon schaffen wird und zweifelt nicht an dem Zusammenhang seines Arbeitsaufwands und der Benotung. Derjenige, der eine geringe Selbstwirksamkeitserwartung hat, denkt eher das er es nicht schafft. Er geht davon aus, dass er so viel Arbeit in die Schule investieren kann wie er will, ohne wirklich einen Erfolg daraus zu ziehen. Er könnte das dann zum Beispiel dem Lehrer zuschreiben der ihn nicht mag, auf jeden Fall hat er den Ausgang der Benotung nicht in seiner eigenen Hand. Nehmen wir allerdings nun das Konzept der Selbstwirksamkeitserwartung und wenden dies auf unsere Frage an, warum viele Menschen den Berufen der Eltern nachstreben, wird das Konzept ein wenig erdrückender.

Warum werden Kinder von Ärzten Ärzte? Weil sie wissen, dass es möglich ist. Warum werden Kinder von Schauspielern Schauspieler oder Modells? Weil sie wissen, dass es möglich ist. Sie zweifeln nicht daran, dass man es schaffen kann, denn der Beweis dafür, dass es machbar ist, sitzt morgens am Küchentisch und liest die Zeitung. Der Beweis für die Machbarkeit dieser Träume hat sie groß gezogen und sie ihr Leben lang begleitet. Warum werden also nicht auch andere Menschen Ärzte oder Schauspieler? Weil sie nicht davon überzeugt sind, dass es mit ihren Mitteln oder mit ihrem Wissen und Kompetenzen machbar ist. Diese Selbstwirksamkeitserwartung hat einen immensen Einfluss auf unsere Entscheidungen. Wenn wir eine geringe Selbstwirksamkeitserwartung haben, weil wir zum Beispiel davon ausgehen, dass schwere (und dazu noch teure) Medizinstudium nicht zu schaffen, werden wir es auch erst gar nicht starten, immerhin möchten wir uns selbst doch nicht enttäuschen und vor anderen blamieren.

Die Frage warum Kinder von Ärzten Ärzte werden wirft also einen tiefen gesellschaftskritischen Diskurs auf. Natürlich eifert man seinen Eltern nach, damit sie stolz sind und man es ihnen recht machen kann. Man wählt den Beruf auch, weil man weiß was auf einen zu kommt und wie man es schaffen kann, man hat einfach viel mehr Informationen über den Beruf als über ganz viele andere Berufe. Aber man wählt den Beruf auch, weil man davon überzeugt ist den Beruf schaffen zu können, weil die Eltern es ja auch geschafft haben. Es zeigt aber auch, dass viele bestimmte Berufe nicht wählen, weil sie davon ausgehen, dass sie es nicht schaffen können. Sie zweifeln an ihren eigenen Fähigkeiten und an ihrem eigenen Potential. Es ist somit ein Thema was ich in Zukunft gerne häufiger thematisieren würde, wenn es euch interessiert, vor allem weil ich mich immer wieder selbst in diesen Gedanken finde. Regelmäßig erwische ich mich dabei zu denken, dass ich für etwas zu alt bin oder ich für bestimmte Dinge nicht qualifiziert genug bin. Ich muss mich dann immer sofort selbst daran erinnern, dass ich nur Sklave meiner eigenen Gedanken bin und ich selbst den größten Einfluss auf meine Ziele nehmen kann. Ein Zitat von Steve Jobs hat erst neulich meine Aufmerksamkeit gefangen, er sagt:

Everything around you that you call life was made up by people that were no smarter than you and you can change it, you can influence it, you can build your own things that other people can use. Once you learn that, you’ll never be the same again.

Jeder Mensch hat ein Potential, jeder Mensch hat Fähigkeiten die er einbringen kann und bitte haltet euch nicht selber davon ab großartiges zu leisten, nur weil eure Eltern vielleicht eine andere Idee von ihrer Zukunft hatten. Niemand bestimmt was ihr erreichen könnt, außer ihr selbst.
Mit diesen Worten, alles Gute!

Quellen:
[1] Bates, R. (2002). Liking and similarity as predictors of multi-source ratings. Personnel Review, 31(5), 540-552.

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