Lebensfreude

Lebensfreude – macht Materialismus glücklich?

Wir werden täglich mit Werbung konfrontiert. Am Hauptbahnhof hängen riesige Plakate, die das neue iPhone in den Himmel loben. In der Einkaufsstraße präsentiert ein halbnackter David Beckham seine neue Unterhosenkollektion. Auf Youtube läuft vor den Videos deines Lieblings-Youtubers erstmal 30 Sekunden lang ein Werbespot über Gesichtscreme. In Zeitschriften, in der Bahn, in Universitäten, auf der Straße, am Flughafen, in Bussen, im Fernsehen, im Internet. Eigentlich überall besteht die Möglichkeit, für sein Produkt oder seine Dienstleistung zu werben. Diese Werbung zielt darauf ab, Menschen und ihre Handlungen zu beeinflussen. David Beckham findet es ziemlich cool, wenn viele Männer seine Buxen kaufen. Tim Cook freut sich, wenn jemand sich das neue Macbook kauft, obwohl die meisten Menschen es gar nicht so wirklich brauchen. Und das ist genau die Sache. Was brauchen wir eigentlich alles von dem, was wir uns kaufen? Wie oft wird uns suggeriert, dass wir etwas dringend bräuchten? Machen materielle Dinge uns wirklich glücklich? Wirklich langfristig glücklich? Bringen diese Dinge uns einen nachhaltigen Mehrwert und mehr Lebensfreude?

Ich habe mir vor einer Weile eine neue Hose gekauft. Sie wird von einem amerikanischen Unternehmen hergestellt und passt wirklich gut. Ich war sehr zufrieden, als ich aus dem Kaufhaus in Richtung Tiefgarage lief. Ich trage diese Hose gerade, während ich diesen Artikel schreibe. Meine Freude, dich ich nach dem Kauf verspürte, ist weg. Ich nehme diese Hose regelmäßig aus meinen Schrank, um sie anzuziehen, aber das tue ich wie mit jeder anderen Hose, die ich besitze, auch. Es ist halt eine Hose. Wenn ich allerdings an meinen Sommerurlaub am Königsee denke und mir die Fotos und Videos ansehe, die ich gemacht habe, bekomme ich gute Laune. Ich denke gern an diese Zeit zurück.

Eines haben meine Hose und mein Urlaub gemeinsam: Ich habe dafür Geld bezahlt. Was macht mich im Endeffekt glücklicher? Definitiv der Urlaub. Auch wenn er nach 10 Tagen wieder vorbei war. Was beschert uns langfristig gesehen mehr Lebensfreude?

In ihrer Studie Happiness for Sale: Do Experiential Purchases Make Consumers Happier than Material Purchases? haben sich die Forscher Leonardo Nicolao, Julie R. Irwin und Joseph K. Goodman mit genau dieser Frage auseinandergesetzt.

Erfahrungen bieten uns mehr Lebensfreude als Materialismus

Die Theorie lautet, dass das Kaufen von Erfahrungen uns glücklicher macht als das Kaufen von materiellen Dingen. Allerdings gibt es zu diesem Thema erstaunlich wenig Forschung. In der Studie von Nicolao et al. werden mehrere Aspekte dieses Phänomens beleuchtet. Es wurden verschiedene Experimente durchgeführt. Im ersten Experiment stellten sich die Forscher die Frage, welchen Einfluss positiv bewertete Einkäufe im Gegensatz zu negativ bewerteten Einkäufen haben. Dazu wurden die Versuchspersonen vorab in Gruppen aufgeteilt. Die einen mussten nur Fragen bezüglich negativ bewerteter Käufe und die anderen bezüglich positiv bewerteter Käufe beantworten. Beide Gruppen wurden gefragt, inwiefern diese Gegenstände sie glücklich machen und wieviel die Gegenstände zu ihrer gesamten Lebensfreude beitragen. Dabei machten die Versuchspersonen Angaben dazu, wie lange der Kauf her ist und ob sie das Geld im Nachhinein lieber für etwas anderes ausgegeben hätten. Es stellt sich heraus, dass die Leute positive Erfahrungen besser bewerteten als positive materielle Einkäufe. Dieser Effekt, dass die Erfahrung besser bewertet wird, bleibt allerdings nicht erhalten, wenn diese negativer Natur ist. Denn negative Erfahrungen wurden schlechter bewertet, als negative materielle Einkäufe. Es schein also als könnten wir negative Einkäufe eher verkraften als negative Erfahrungen.

Im zweiten Experiment wurden die Versuchspersonen gebeten, sich an drei verschiedene Käufe zu erinnern, egal ob materieller Natur oder nicht, und diese mit Hilfe einer Skala zu bewerten. Dazu wurden die Versuchspersonen wieder in negative und positive Gruppen eingeteilt. Sie haben ihre drei Käufe zunächst als etwas materielles oder als eine Erfahrung eingeordnet. Danach wurden dieselben Fragen bezüglich ihrer Einstellung zum Kauf gestellt, wie in dem ersten Experiment. Hier ist herausgekommen, dass Erfahrungen haben die Leute glücklicher gemacht haben als materielle Dinge. Die Ergebnisse zeigen allerdings auch, dass es für die Leute, die sich selbst als sehr materialistisch eingestuft haben keinen Unterschied gibt. Denn die Lebensfreude, beziehungsweise die Zufriedenheit, hinsichtlich gekaufter Erfahrungen und materieller Dinge unterscheidet sich nicht.

Im dritten Experiment konnten die Versuchspersonen sich tatsächlich einen Gegenstand oder eine Erfahrung aussuchen. Zuvor wurden sie in zwei Gruppen geteilt. Die eine konnte sich zwischen mehreren Gegenständen entscheiden und die andere zwischen mehreren Erfahrungen. Die Forscher haben vorab jeweils Zeitpunkte festgelegt, an denen sie die Versuchspersonen fragen, wie zufrieden und glücklich diese mit ihrem Erwerb sind. Die Meinungen wurden direkt nach dem Erwerb, 7 Minuten später, ein Tag später, eine Woche später und zwei Wochen später abgefragt. Dabei kam heraus, dass die Versuchspersonen sich schneller an materielle Einkäufe gewöhnt haben, als an Erfahrungen. Das bedeutet, dass die Zufriedenheit und die Lebensfreude, die durch eine Erfahrung entstehen, länger präsent sind, verglichen mit materiellen Dingen.

Das Streben nach Lebensfreude

Um es kurz zu fassen, die materiellen Dinge konnten in Sachen Lebensfreude, über einen langen Zeitraum, nicht mit den Erfahrungen mithalten. Die Erfahrungen werden, wenn sie schlecht waren, negativer bewertet als negativ bewertete Gegenstände. Im Gegenzeug werdender auch positive Erfahrungen viel besser bewertet, als positiv bewertete Gegenstände. Die Forscher fanden auch heraus, dass die anfängliche Freude, die man durch dem Erwerb eines Gegenstandes erfährt, relativ schnell „gewöhnlich“ wird. Der Hype nimmt also schneller wieder ab. Die Forscher diskutieren noch ein paar ähnliche Theorien am Ende der Studie, die sich mit dem Gewöhnen an sich auseinandersetzen. Demnach bleiben uns positive Erfahrungen nicht nur länger im Gedächtnis, sondern wir spielen diese auch öfter in unserem Kopf ab und bewerten diese im Laufe der Zeit sogar noch besser. Negative Erfahrungen hingegen verblassen nach einer bestimmten Zeit.

Das bedeutet dann wohl, dass wir unser Geld lieber für eine gute Erfahrung ausgeben sollten, als für irgendwelche materiellen Dinge. Ich habe es mir zur Gewohnheit gemacht, mir vor jedem Kauf mir die Frage zu stellen, ob ich diesen Gegenstand wirklich brauche. Seitdem ich das mache, habe ich gemerkt, dass ich viel aufmerksamer geworden bin, wenn es ums Geldausgeben geht. Wozu braucht man einen neuen Pullover, wenn 4 gute Pullis zuhause im Schrank hängen? Ich kann verstehen, dass man natürlich nicht 5 Jahre lang in den gleichen Klamotten rumlaufen möchte. Aber wenn einem auffällt, dass man sich Sachen kauft, weil man sich danach besser fühlt, sollte man sich eventuell mal Gedanken darüber machen, warum diese Sachen einen in dem Moment glücklich machen und wie lange dieser Zustand anhält. Wenn ich mir vorstelle, wie ich mit 80 Jahren in einem Schaukelstuhl sitze und an die Vergangenheit denke, dann würde ich mich gerne an die ganzen tollen Erfahrungen erinnern können, die ich in meinem Leben gemacht habe. Die Markenjeans oder der teure Coffee-to-go vom Unibäcker werden mir wahrscheinlich ziemlich egal sein.

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