Warum Eltern ihre Kinder nicht impfen lassen, nur Confirmation Bias?

Gerade in den letzten Monaten hat es in den Medien einen regelmäßigen Aufschrei gegeben. Eltern würden ihre Kinder nicht mehr impfen lassen, weil sie befürchten würden, die Kinder würden dadurch an Autismus erkranken, oder sonstige schlimmer Krankheiten erleiden. Doch was könnten die psychologischen Beweggründe für diese Art der Urteilsbildung sein? Wir werden einen näheren Blick auf die dahinterliegenden psychologischen Effekte wie den „Confirmation Bias“ legen.

Ohne Frage möchten Eltern in der Regel das Beste für ihre Kinder. Viele Eltern sind für diesen Zweck regelmäßig in Foren unterwegs und sprechen mit anderen Eltern über ihre Kinder, über Versorgung von Kindern und selbstverständlich auch über medizinische und gesundheitliche Belange. Aus der Sicht der medizinischen Versorgung, sind Impfungen in der Regel als relativ ungefährlich einzuschätzen und der Nutzen als überwiegend positiv zu bewerten. Wie Dr. House in der gleichnamigen Serie so schön zu einer Mutter sagte die behauptete, dass die Pharmakonzerne nur Geld an eigentlich nutzlosen und nur gefährlichen Impfungen verdienen wollen:

„Wissen Sie was sich noch gut verkauft? Kindersärge.“

Solche oder ähnliche Sprüche werden sich auch Eltern anhören müssen, die sich gegen die Impfung der Kinder entscheiden. Warum machen sie es dennoch?

Um diesem enormen sozialen Druck standhalten zu können, muss es einen starken psychologischen Effekt geben, der dieses Glaubenskonstrukt aufrecht erhält. Ich habe also begonnen zu recherchieren, ob ich Theorien und Forschungen finde, die diesen Effekt in Teilbereichen erklären können. Diese möchte ich mit diesem Blog Artikel teilen.

Confirmation Bias – Ein Experiment

Der Confirmation Bias ist ein psychologischer Effekt, der die Neigung von Menschen beschreibt, Informationen, die der eigenen Meinung widersprechen, zu ignorieren. In der Forschung wird dieser Effekt häufig durch Informationsgewinnung durch Nachrichtenartikel untersucht. In einer Studie[1] sollten sich Studenten eine Meinung darüber bilden, ob alternative Heilmethoden zukünftig durch Krankenkassen bezahlt werden sollten oder nicht. Die Studenten wurden vor der Durchführung des Experiments über das Thema informiert, dass die Kosten der allgemeinen medizinischen Versorgung ansteigen und über das vermehrte Aufkommen von alternativen Heilmethoden. Sie wurden ebenfalls mit der Frage konfrontiert, ob die alternativen Heilmethoden zukünftig von Krankenkassen übernommen werden sollten. Zu dieser Fragestellung sollten sie eine vorübergehende Antwort finden. Ihnen wurde ausdrücklich gesagt, dass die finale Entscheidung erst später getroffen werden müsse.

Im zweiten Teil des Experiments wurde den Teilnehmern berichtet, dass sie nun weitere Informationen zu dem Thema bekommen könnten. Ihnen wurden dann zwei Artikelüberschriften mit Kurzzusammenfassungen vorgelegt, von denen sie einen Artikel auswählen konnten. Nachdem sie den ausgewählten Artikel dann gelesen haben, wurde ihnen zwei neue Überschriften mit Kurzzusammenfassungen vorgelegt, von denen sie sich wieder für einen Artikel entscheiden mussten. Wichtig ist hierbei, dass durch die Überschriften zusammen mit den Kurzzusammenfassungen deutlich wurde, ob sich der Artikel für oder gegen eine Übernahme der Kosten alternativer Heilmethoden durch Krankenkassen äußerte. Dieses Prozedere wiederholte sich 8 mal. Den Probanden wurden dementsprechend insgesamt 16 Überschriften vorgelegt, von denen sie acht auswählten und die dazugehörigen Artikel lasen.

Die Ergebnisse sind dabei sehr spannend und zeigen, dass die Probanden eher Artikel wählten, die ihre ursprünglich gefasste Entscheidung unterstützten. Zwar lasen sie auch Artikel, die nicht mit ihrer ursprünglichen Aussage überein stimmten, allerdings war dies eher die Ausnahme. Die Probanden haben also eher versucht ihre ursprünglich getroffene Aussage zu unterstützen, als Gegenargumente zu finden. Was für Auswirkungen dieses Verhalten haben kann, werden wir am Endes des Artikels nochmals näher Beleuchten. Als nächstes möchte ich mich noch mit einer weiteren Theorie auseinandersetzen, der Commodity Theory[2].

Die Commodity Theory

Die Commodity Theory baut auf dem Raritätseffekt auf und besagt grundsätzlich, dass jede Ware nur so lange wertgeschätzt wird, wie sie unerreichbar ist. Mit anderen Worten bedeutet dies, dass Waren nur ein Wert zugesprochen wird, solange man nicht frei über sie verfügen kann. Ein Beispiel wäre Luft. Luft kann jeder Atmen, sie ist frei verfügbar und wir denken nicht großartig darüber nach, wie wichtig Luft eigentlich für unser Leben ist. Anders ist dahingehend allerdings der neue Fernseher. Der schöne 60″ Fernseher für 1.999€, den wir jeden morgen sehen, wenn wir am Fachmarkt vorbei fahren. Dieser Fernseher stellt für uns das Nonplusultra dar, wir möchten ihn haben und es verzehrt uns, dass wir noch auf unserem kleinen Fernseher zu Hause fernsehen müssen. Stellt euch allerdings mal vor, ihr hättet den 60″ Fernseher schon lange zu Hause und ihn vielleicht mal von jemand anderes übernommen, der jetzt als Waldschrat irgendwo sein Leben fristen möchte. Niemals würdet ihr euch so sehr über den Fernseher freuen. Er wäre einfach Teil eures Lebens und ihr würdet ihn nicht in dem Maße wertschätzen, wie ihr es tätet, würde er scheinbar unerreichbar im Fenster des Fachladens glänzen. Menschen wertschätzen Dinge häufig nicht, die nichts kosten. Dies ist unter anderem im Bildungsbereich ein Problem, wenn ich daran denke, wie häufig die Schulbildung vernachlässigt wird. Sie wird gerade im westlichen Kulturraum eher als Last betrachtet, wohingegen es für Kinder aus Schwellenländern das größte Geschenk ist zur Schule gehen zu können. Wo ist der Unterschied? Kinder aus dem westlichen Kulturraum haben selbstverständlich Zugang zum Schulwesen. Es ist sogar eine Pflicht und somit nicht unerreichbar sondern eher unvermeidbar. Die Kinder aus den Schwellenländern müssen allerdings häufig darum kämpfen, um zur Schule gehen zu dürfen.

Genug der Verdeutlichungen. Wir wertschätzen Dinge also mehr, wenn sie schwerer zu erreichen sind. Dies gilt auch für Informationen. Waren werden gemäß der Commodity Theory an drei Punkten definiert. Sie müssen nützlich sein, sie müssen übertragbar sein und man muss sie besitzen können. Informationen erfüllen all diese Kriterien. Sie sind sowohl nützlich, weil man dadurch neue Erkenntnisse ziehen kann, die einem das Leben erleichtern. Sie sind auch übertragbar, beispielsweise durch Bücher oder Blogposts und man kann sie besitzen. Sobald eine Information aufgenommen ist, kann man über diese Information verfügen und sie an geeigneter Stelle verwenden.

Gehen wir nun einen Schritt weiter. Im medizinischen Bereich, gibt es äußerst viele Studien die belegen, dass Impfungen mehr gute als schlechte Auswirkungen auf Kinder haben. Dass Impfungen zu Autismus oder ähnlichem führen, wird nur in wenigen Studien gezeigt. Es muss also länger gesucht werden, die Informationen scheinen rar gesät und man muss arbeiten, um an die scheinbar unter Verschluss gehaltenen Informationen zu gelangen.

Zusammenfassung

Fügen wir nun die beiden Punkte Confirmation Bias und Commodity Theory zusammen, bekommen wir eine recht gute Idee darüber, warum manche Eltern ihre Kinder nicht impfen lassen möchten, weil dies scheinbar Krankheiten auslösen könnte. Zunächst erhalten die Eltern Information, die sie so noch nicht vorher hörten. Sie scheint selten zu sein, dadurch wirkt sie interessant und scheint es wert zu sein, mehr Arbeit in den Erhalt weiterer Informationen zu kommen. Durch die Commodity Theory wird deutlich, dass diese seltenen Informationen, die man durch harte eigene Recherche finden musste, mehr wertgeschätzt werden als die scheinbar kostenlosen und überschwänglich verfügbaren Informationen durch Bücher, Ärzte und irgendwelche Zeitschriften. Nehmen wir dazu den ersten Effekt hinzu, den Confirmation Bias, schließt sich der Kreis. Dadurch, dass sie bereits eher dazu tendieren den scheinbar geheimen Informationen über die Autismus erzeugenden Impfungen zu glauben, werden sie durch den Confirmation Bias Informationen, die etwas gegenteiliges behaupten, ignorieren oder als „Lüge von den Pharmakonzernen, die nur unser Geld wollen“ darstellen.

Hinter dem für viele Menschen unerklärlichen Phänomen, dass Menschen ihre Kinder nicht impfen lassen, steckt also ein psychologisches Konzept, dass auf vielen kleineren Konzepten fußt und somit noch komplexer ist, als ich es hier dargestellt habe. Mir bleibt nur zu hoffen, dass dieser Blog Artikel durch diejenigen gelesen wird, die mit dem Gedanken spielen ihre Kinder aus den genannten Gründen nicht impfen zu lassen und zu einem Innehalten führt. Können die vielen Studien wirklich alle gefälscht worden sein? Ist es nicht wahrscheinlicher, dass die Informationen einfach eher der Wahrheit entsprechen und die wenigen Fälle, wo ein Zusammenhang angenommen werden könnte, eher dem Zufall oder anderen Ursachen geschuldet sein könnten? Ich bin kein Arzt und kann keine abschließende Bewertung geben, aber ich kann versuchen eine Erklärung zu geben, warum diese Einstellungen existieren.

Was meint ihr zu dem Thema? Habt ihr schon einmal Erfahrungen damit gemacht, dass Menschen scheinbar überwältigende Informationen nicht akzeptieren wollen um bei ihrer Nischenmeinung zu bleiben? Lasst es uns in den Kommentaren wissen.

Quellen:

[1] Jonas, E., Schulz-Hardt, S., Frey, D., & Thelen, N. (2001). Confirmation bias in sequential information search after preliminary decisions: an expansion of dissonance theoretical research on selective exposure to information. Journal of personality and social psychology, 80(4), 557.
[2] Lynn, M. (1991). Scarcity effects on value: A quantitative review of the commodity theory literature. Psychology & Marketing, 8(1), 43-57.

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